Sabine Bürger führt uns mit ihren Bildern in eine Art fiktive Zwischenwelt, gesättigt von Emotionen und Morbidität, aber auch von der Dynamik des Wachsens und metamorphischen Andeutungen. Im Mittelpunkt stehen immer Körper bzw. Gesichter, fungierend als eine leicht erfassbare Konstante, als Verbindung zur Realität. Gleichzeitig macht Sabine Bürger jedoch klar, dass es ihr bei den Darstellungen kaum um das exakte Ebenbild geht, sondern sie die identifizierbare Form als Ausgangspunkt für aufwendige Manipulationen und Abstraktionen nutzt, das eigentliche Ziel ihrer Bemühungen. Die dargestellten Körpermotive dienen dabei als formbare Ur-Masse, als Projektionsfläche für emotionale Reflektionen, als passender Schlüssel für die verbotenen Gärten der Sinnlichkeit.

Sabine Bürger

         Körpernahe Abstraktionen

Die körperliche Präsenz ist kein Zufall. Von der Performance kommend, setzt Sabine Bürger ihre künstlerische Tätigkeit mit anderen Mitteln fort, indem sie den Körper in Aktion setzt, die Situationen fotografisch festhält, um aus den entstandenen Ingredienzen neue, komplexe Visionen zu kreieren. So entstandene Fotoarbeiten lassen sich aus gänzlich unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten. Zunächst handelt es sich um Fotografien, Werke also, die dem Betrachter eine fixierte Momentaufnahme anbieten. Doch diese, zunächst als logisch verstandene Ebene gilt nur so weit, bis wir uns zu fragen beginnen, was diese Abbilder eigentlich darstellen. Zu sehen sind Gesichter und Körper in rätselhaften Posen, die einen undefinierbaren Raum visuell beherrschen. Auffallend ist dabei, dass die Gesichter kaum den Kontakt zum Betrachter suchen. In sich verschlossen befinden sich diese Gestalten wie in einem Zustand des pränatalen Werdens. Wie aus einer Ursubstanz geformt und in sich ruhend bzw. reifend schweben diese Gesichter und Körper im zeitlosen Kontinuum, ohne Ziel oder sichtbare Bestimmung.

Unverkennbar besitzen für Sabine Bürger Flüssigkeiten eine besondere Magie. Bereits bei ihren körperlichen Aktionen setzt sie Flüssigkeiten ein, um mit ihnen die dargestellten Körper zu bemalen, sie in Flüssigkeiten zu hüllen, wodurch bereits am Anfang des langwierigen Entstehungsprozesses eine überaus sinnliche, körperliche Erfahrung steht. Mit Hilfe der Fotografie festgehalten, benutzt Sabine Bürger diese Bilder als Ausgangsmaterial für weitere Arbeitsschritte, an denen ebenfalls verschiedene Flüssigkeiten beteiligt sind. Am Ende steht das finale Bild, als Ergebnis einer Interaktion zwischen Objekt, Flüssigkeiten und Projektion. Trotz der Komplexität ihrer Bilder bevorzugt Sabine Bürger während der Produktion vergleichsweise einfache Arbeitsmaterialien. Alle hier präsentierten Bilder wurden weder als Collagen, noch mit Hilfe eines Computers realisiert. Die einzelnen Schritte ihrer Verfremdung finden während der Aufnahme bzw. in Folge als fotografisch/physikalische Bearbeitungen statt. Dies ist insofern wichtig, als Sabine Bürger in allen Entstehungsphasen die Prozesse genau steuern und auch zufällig Entstandenes gezielt einsetzen kann.

Natürlich sind die vorliegenden Bilder in ihrer Art auch als Dokumente der durchgeführten Aktionen zu werten. Durch die nachfolgende Bearbeitung transferiert Sabine Bürger die ursprüngliche Information jedoch in eine neue visuelle Dimension. Basieren Aktionismus, Body Art und Performance hauptsächlich auf dem Moment des unmittelbaren Erlebens, schafft Sabine Bürger mit ihren Arbeiten eine dauerhaftere, in sich konzeptuell strukturierte Bilderwelt, die auch an anderen Orten immer wieder neu inszeniert und installiert werden kann.

authentischen Ausdruck, lässt die dargestellte Pose glaubhaft wirken. Die provozierte Korrespondenz zwischen verschiedenen Flüssigkeiten und dem körperlichen Empfinden sowie die anschließende Bearbeitung schaffen eine scheinbar native Bilderwelt, in der die Posen und Handlungen zu Beschreibungen von Urgefühlen transferiert werden.  

Sabine Bürger wurde 1960 in Bielefeld geboren. Sie studierte an der Kunstakademie in Düsseldorf und war dort Meisterschülerin von Günther Uecker. 1986-87 studierte sie im Rahmen eines DAAD- Stipendiums am Royal College of Arts in London. Es folgten diverse Arbeitsaufenthalte in Europa und den USA. Sabine Bürger lebt und arbeitet heute als freischaffende Künstlerin in Essen.

Protoplast (Triptychon) (2001) | je 100 x 65 cm

Hydroflux (2000) | Serie, 110 x 70 cm

Negative Sources (2001) | 50 x 40 cm

Ohne Titel (1998) | Serie, je 30 x 24 cm

Unverkennbar bleibt, dass die Künstlerin mit ihren Aktionen oft bewusst die Grenzen des Machbaren auslotet. So sinnlich die Erfahrung des mit verschiedenen Flüssigkeiten bemalten Körpers auch sein kann, die latente Grenze zum Unangenehmen, gar Ekligen ist stets fließend. Genau diese Erfahrung bedingt jedoch den

PHOTONEWS Zeitung für Fotografie

Nr. 2 Februar 2002 14. Jahrgang

Denis Brudna